Und so entkommen wir doch…

Mauern, plötzlich waren da überall Mauern. Eingesperrt für etwas, von dem ich nicht mal sicher war, ob ich es gewollt hatte."

Nichts zu machen. Beton, Stahl und Plastik, das war mein neues Zuhause. Die Einrichtung steril, die Menschen vulgär. Halunken, Gauner und Diebe, mein neuer Umgang.

Jeder Tag so durchstrukturiert, durchnummeriert, durchgetaktet, dass man fürchten musste, seine Menschlichkeit zu verlieren. Die Struktur machte die Tage erträglicher, doch die Jahre zäher.

Nie Abwechslung, nie Spontanität. Folge leisten, nach unten schauen und buckeln. Eines Tages hörte ich von einem Plan. Ein paar der Jungs planten einen Ausbruch.

Durch Netzwerken gelang es mir, in den Kreis der Verschwörer zu kommen. Ich wurde in die Details eingeweiht und sollte mich bedeckt halten.

Eines Nachts kam das Signal, ein leises Pfeifen durch die Finger. Ich stand bereit. Plötzlich ging alles ganz schnell. Die Türriegel sprangen auf wie von Geisterhand. Von jetzt an 5 Minuten.

Den Weg war ich zigtausend Mal im Kopf abgegangen. Jeder Schritt saß. Tür um Tür öffnete sich, als wäre ich ein freier Mann. Dann der Alarm, wie angekündigt. Jetzt schnell sein oder für immer hier drin versauern.

Die Tür zum Hof und dann hinaus in die Nacht. Das große Tor stand offen. Wir waren vier. Einer fehlte. Es wurde beschlossen, nicht zu warten. Und hinaus in die Dunkelheit.

Hinter uns war der Alarm noch deutlich zu hören. Doch wir wurden nicht verfolgt. Ließen sie uns einfach so davonkommen? Die Freiheit schmeckte zu gut, um stutzig zu werden.

Wir rannten eine kleine Straße entlang, die links und rechts von offenem Grasland umgeben war. In der Ferne waren keine Lichter zu sehen. Runter von der Straße, rein in die Finsternis.

Die Beine brannten. So schnell war keiner von uns jemals gerannt. Nach einer Weile gelangten wir an einen hohen Zaun. Oben war Maschendraht angebracht. Unüberwindbar.

Einer wollte es versuchen. Wir hörten seine Schreie, als wir weiter am Zaun entlangliefen, um eine Öffnung zu finden. Keine Zeit für Mitleid, nur die Flucht nach vorn.

Der Zaun schien unaufhörlich zu sein. Um uns herum gab es sonst keine Struktur, nur flaches, mit Gras bewachsenes Land, wohin man auch schaute.

Schließlich gelangten wir an ein Tor, das die einzige Öffnung im Zaun zu sein schien. Es war der Zugang zu einer Brücke, die über einen ruhigen, kleinen Fluss führte.

Am anderen Ende des Flusses das gleiche Bild wie hier drüben. Leere, schwarze Ödnis. Einer beschloss rüber zulaufen. Ich und ein anderer sprangen ins Wasser und schwammen. Wir waren genug gelaufen.

Die Strömung trug uns mit. Nachdem wir glaubten, einige hundert Meter zurückgelegt zu haben, sahen wir einen Steg. Wir kletterten an ihm hoch aus dem Wasser. Und dann rannten wir.

Ehe wir es uns versahen, standen wir in einem großen Innenhof. Ums uns herum Mauern. Wieder Mauern. Dann scharfe Waffen, Schreie, das Klicken der Handschellen.

5 Minuten später saßen wir in einem Verhörraum. Die anderen waren auch da. Die Flucht in die Freiheit hatte uns wieder in die Gefangenschaft geführt.

Es war schwer, der Verzweiflung nicht zu erliegen. Sie teilten uns auf, die gesichtslosen Männer. Jeder folgte einem anderen, jeder bekam eine andere Zelle zugeteilt.

In meiner saß ein Mann, völlig zerzaust, lange, wilde Haare, strenger Körpergeruch. Er verharrte im Schneidersitz, hatte die Augen geschlossen. Kein Hallo, ich stieg ins Bett und schlief.

Ein Traum von einem erfolgreichen Ausbruch. Nur ein Traum.

Beim Öffnen der Augen wieder die Zelle. Ich sah den verrückten Mann meditieren. Es gab Frühstück. Er kam mit uns anderen mit, aber kommunizierte nur durch seine Ausstrahlung.

Aufgrund des Ausbruchsversuchs hatte ich keinen Ausgang nach dem Essen. Mein Mithäftling wollte nicht raus. Also saßen wir zusammen in der Zelle. Er meditierend, ich grübelnd.

Die Aussichtslosigkeit meiner Lage ließ mich verzweifeln. Ich schlug ein paar Mal heftig gegen die Wand. Mein Zellengenosse blickte nicht mal auf. Er war woanders.

Die Hand blutete. Ich legte mich hin, grämte mich, hasste mich, verfluchte das Gefängnis und dieses verdammte Leben.

Nachdem sich meine Wut einige Stunden später gelegt hatte, musterte ich eine Weile das menschliche Haarknäuel. Er war still wie ein Grab, verzog dabei keine Miene.

Mein Blick wanderte immer wieder von den grauen Mauern zu ihm und zurück. Schließlich setzte ich mich aufrecht hin, lehnte den Rücken an die Wand, kreuzte die Beine und schloss die Augen.

Von Lukas Böhl

Hallo, mein Name ist Lukas Böhl. Ich bin der Autor hinter dem Sinnblock. Falls du mehr über mich erfahren willst, schau mal hier vorbei. Falls du Fragen oder Anregungen zur Seite hast, schreib mir einfach! :)