Rosa schlägt es in der Brust

Graue, gnadenlose Stadt. Endloser Schauer auf Asphalt. Wolken drücken von oben. Wasser presst von unten. Der Mensch wird komprimiert. Der Platz geht aus. Die Feuchtigkeit treibt den Gestank aus den Gassen. Die Gedanken aus den Köpfen. Was lange verborgen lag, wird zutage gefördert."

Er steht an der Bahnstation unter seinem schwarzen Regenschirm. Betrachtet das Schauspiel gebannt aus der Distanz, in die ihn seine Tagträumerei entführt hat. Das ist sein Leben und so ist er jetzt.

Er spürt es im Magen, das Gefühl von Einsamkeit. Ein unstillbarer Hunger. Er spürt es im Herzen. Die Entfremdung. Alles passiert neben ihm. Er steht immer nur dabei. Schaut zu, wie alles schneller wird.

Er spürt es im Kopf. Die Vernebelung. Ideen, die nicht seine sind. Wünsche, nicht von ihm formuliert. Ziele, aufgedrückt von anderen. Er spürt es in seiner Tasche. Es vibriert. Es will. Es fordert und nimmt. Wer ist er noch?

Er schaut sich um. Plötzlich ist er überall. Der Mann am Steuer der gelben U-Bahn. Die Frau mit dem Kind, das nicht aufhört zu weinen. Die Jugendlichen gegenüber, die rauchen. Überall sieht er sein Gesicht. Er ist es und ist es nicht. Ein grauer Klumpen, wie die Wolken, die den Himmel nicht freigeben wollen.

Eine Erinnerung schlüpft in seinen Kopf. Es war nicht immer so. Irgendwann vor langer Zeit war er er. War ein Selbst. Nicht nur eine Masse, die vom Regen weggespült wird, im Gully ertrinkt und verschwindet. Von der Erde getilgt.

Eine Flamme lodert auf. Hoffnung kehrt zurück. Er fasst sich an die Brust. Dort drin pocht das Leben. Er weiß es noch. Nur muss er es beweisen. Dann wird ihm klar, was zu tun ist. Er wirft den Regenschirm in den Wind. Davon mit ihm.

Er wirft den Mantel vom Leib. Dann das Sakko, das Hemd und das weiße T-Shirt. Alles weg, nur weg. Da reißt er seinen Brustkorb entzwei. Dort schlägt es rosa in seiner Brust. Jeder kann es sehen. Für einen Moment schaut alles zu ihm. Sieht das Herz schlagen. Sieht das Leben.

Doch der Augenblick vergeht. Er fällt zu Boden, bleibt liegen. Nun geht es weiter. Ohne ihn.


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Lukas

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Von Lukas Böhl

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