Armer Eddy

Ein trauriger Song begann zu spielen. Eddy saß an der Theke und zog an der letzten Zigarette der zweiten Schachtel, die er heute bereits verraucht hatte. Er dachte an nichts Spezielles, nicht einmal ans Rauchen, ja nicht einmal ans Trinken. Er ließ seine Gedanken einfach so streifen, wohin auch immer sie wandern mochten.

Heute Mittag hatte ihm jemand gesagt, er sei der Typ, der seinen Platz in der Welt gegen einen Hocker am Tresen eingetauscht hatte. War das überhaupt etwas Schlechtes und nicht vielleicht das beste Kompliment, das er in seinem Leben je bekommen hatte? Vielleicht war stolz darauf, dieser Typ zu sein. Doch wer bestimmt das überhaupt?

Im goldenen Inhalt seines Glases spiegelte sich die Kneipe wider, seine Welt. Dort, wo er früher mit seinen Kameraden gehockt war, kamen und gingen jetzt Fremde. Für jeden davon fand er einen guten Spruch, ein freundliches Wort, manchmal nur ein aufmunterndes Nicken. Denn er kannte die Menschen, die hier herkamen und mit ihm über den Tresen hingen. Sie waren so verloren wie er, nur hatten sie ein Zuhause außerhalb dieser vier Wände.

Wenn ich die nächsten drei Tage keine Zigarette mehr rauche, bin ich dann offiziell kein Raucher mehr, nur noch ein Gelegenheitsraucher? Nur so ein Kneipengedanke, der noch für eine Weile an der Decke hing, bevor er sich aus dem gekippten Fenster für immer verabschiedete.

Es wird wieder Winter, ein Grund, noch früher mit dem Trinken anzufangen. Rechtfertigt Dunkelheit nicht immer Alkoholkonsum. Warum heißt das Bier? Warum denke ich noch so klar? Wirkt der Alkohol nicht mehr?

„Einen Schnaps!“, rief er. „Zwei!“, verlangte er nach dem ersten. Er trank sich durch das kleine Einmaleins, fühlte sich aber immer noch wie eine Null.

Mann, ich muss diese Haare schneiden. Was für ein hübsches Mädchen. Niemals! Ich denke im Viereck. Wo ist der Ausgang? Worte, Zigaretten, Alkohol! Halt, was war das: Zigaretten? Brauche mehr!

Eddy stand auf, um Zigaretten zu holen. Als er zurückkam, sah seine Ecke komisch aus, irgendwie entstellt, so als fehlte ein Teil. Klar, er fehlte. Er war der Typ am Tresen.

Wer ist dieser Kerl? Ich kenne ihn nicht.

Die Flamme zischte, der Tabak glomm, die Welt verschwamm.

Herrlich, alles durch einen grauen Schleier zu beobachten. Warum starrt dieser Typ da so? Soll er doch herkommen?

Tatsächlich, er kommt.

Hey, lass das! Der kann doch nicht! Runter von meinem Platz! Aber wie ist das möglich?

„Das mit Eddy ist echt ne traurige Sache.“

Hat der Kerl das echt gesagt? Hier, ich bin hier.

Der Barkeeper nickte mitfühlend, während er ein paar Gläser abtrocknete. „Hat schon irgendwie zum Inventar gehört, der Gute. Unglaublich, vor einer Woche saß er noch hier.“

Was, bin ich tot? Ich kann mich an nichts erinnern. Warum bin ich noch hier?

„Es ist fast so, als wäre er noch hier. Fast schon unheimlich, man hat sich einfach so sehr an ihn gewöhnt.“

Ich bin ein Geist, kann alles machen?

„Armer Eddy!“

Warum bin ich dann noch hier?

„Armer Eddy…“

Ich werde sofort von hier…noch ein Bier, eine Zigarette, ein „armer Eddy“, dann soll’s mir genug sein.

Doch keiner sprach mehr von ihm, nie wieder. Es gab nichts mehr zu reden. So saß er für immer dort in der Ecke, hatte seinen Platz im Himmel gegen ein Hocker am Tresen eingetauscht. Das ist nicht traurig und nicht komisch, hat keine Moral und keinen Sinn, es ist nur die Geschichte vom armen Eddy.


 

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Von Lukas Böhl

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