gelb, blau, rot und schwarz

Diese Geschichte könnt ihr jetzt auch in der Comicversion lesen!

„Was ist das hier?“ fragte sich Clerry, als er durch die kleine Tür trat. Ein modriger Geruch stieg ihm in die Nase, es war feucht im Inneren. Der Raum war dunkel, lediglich ein kleines Licht in der Mitte war zu sehen. Clerry hörte Stimmen, doch es war niemand zu sehen.

„Hallo?“, rief er vorsichtig in Richtung des Lichts, das er für eine Kerze oder eine kleine Glühbirne hielt."

„Tritt näher!“, hallte eine tiefe Männerstimme aus dem Raum wider. Clerry drehte sich zur Tür um, sollte er vielleicht einfach wieder gehen? Doch als er sich umdrehte, bemerkte er, dass die Eingangstür auffällig weit weg war. Viel weiter weg, als es bei der Größe des Raumes hätte Sinn gemacht.

„Mann, ich muss ganz schön betrunken sein“, dachte er sich.

„Komm, Junge!“, hörte er die Stimme erneut rufen. Sie war so bestimmend und nachdrucksvoll, dass Clerry ohne Zögern folgte. Je weiter er in den Raum hineintrat, desto größer wurde er. Die Eingangstür war bald nur noch eine kleine, unscheinbare Öffnung weit in der Ferne. Schließlich erkannte er, dass es sich bei der Lichtquelle nicht um eine Kerze handelte, sondern um eine große Lampe, die den riesigen Raum mit Licht erfüllte. Und obwohl er schon gefühlt 500 Meter gelaufen war, war sie nur unwesentlich größer geworden.

Er fing nun an schneller zu gehen, bis er fast in einen Sprint wechselte. Der Raum dehnte sich jede Sekunde in Höhe und Breite weiter aus und der einzige Anhaltspunkt in dieser undurchdringlichen Dunkelheit war die Lampe an der Decke. Der Atem stockte ihm, als er plötzlich eine Gestalt wahrnahm, die vor ihm auftauchte. Dort unter dem Licht saß jemand an einem Tisch. Er rannte und rannte, bis er schließlich nahe genug war, um noch drei andere Gestalten erkennen zu können.

Clerry blieb keuchend stehen und rang nach Atem. Als er wieder aufblickte, erkannte er wie riesig die vier Männer waren, er konnte kaum ihre Augen sehen, so hoch waren sie. Die vier Gestalten saßen um einen ebenso gigantischen Tisch und zogen aus einem Loch in der Mitte lange Fäden, die aus dem Boden entsprangen. Sie musterten diese nur kurz und zogen dann weiter.

Zu Clerrys Verwunderung waren sie nicht nur Riesen, sondern, abgesehen von der Farbe ihrer Gewänder, auch komplett identisch. Sie trugen gelb, blau, rot und schwarz. Ihre Augen waren noch dunkler als der Rest des Raumes und ihre langen grauen Bärte reichten ihnen bis zum Schoß. Die Gesichter mager, die Nasen lang und dünn. Die Fäden aus dem Boden zogen sie beständig in ihre Bärte, wo sie eins mit diesen wurden. Ohne den winzigen Besucher zu beachten, gingen sie geschäftig ihrer Tätigkeit nach.

Wie angewurzelt stand er dort, voller Ehrfurcht und Angst, verstärkt durch den Alkohol, der durch seine Blutbahnen floss. Nicht imstande auch nur ein Wort hervorzubringen, starrte er weiter auf den Gelben, der schräg neben ihm saß und dem er gerade so in die Augen sehen konnte. Plötzlich senkte dieser den Kopf zu ihm herab, musterte den Winzling und fragte mit tiefer Stimme: „Erkennst du es nicht?“

„N-N-N-Nein…“, stotterte Clerry etwas kleinlauter, als es ihm lieb war.

„Dann bist du blind!“, gab ihm der Alte zur Antwort, wandte sich um und machte sich wieder an die Arbeit. Nun drehte sich der Rote nach ihm hin, musterte ihn aufmerksam und stellte ihm ebenfalls eine verwirrende Frage: „Hörst du es nicht?“.

„Hören? Was denn?“, erwiderte Clerry mit leiser, ängstlicher Stimme.

„Dann bist du taub!“, sagte der Rote, während er sich ebenfalls wieder seiner Tätigkeit hingab. Schließlich rührte sich der Blaue und ohne Clerry anzusehen, sprach er: „Fühlst du es nicht?“

Clerry aber hatte die Nase voll von diesem Spiel und weigerte sich zu antworten.

„Dann bist du starr!“

Da wollte er eine pampige Antwort geben, als sich plötzlich der Schwarze regte und ihm die Worte in der Kehle stecken blieben. Er erhob sich, da er auf der anderen Seite des Tisches saß und den kleinen Besucher gar nicht sehen konnte.

„Nun, Junge, dann will ich dir auch eine Frage stellen: Lebst du?“

Clerry spürte wie seine Beine immer schwächer wurden und nachzugeben drohten.

„Ich, ich, ich…“, stammelte er benommen.

„Dann bist du tot!“ war das Letzte, was er wahrnahm, bevor sich ein stechender Schmerz in seinem Arm breit machte und er heftig auffuhr und nach Luft rang. Sein Herz raste in der Brust, so heftig, dass er glaubte, er müsste sterben. Erst jetzt realisierte er in einem kurzen Moment der Klarheit, wo er war. Ein Notarzt kniete neben ihm und zog gerade eine Spritze aus seinem Arm. Um ihn herum sah er inmitten von Fremden das ihm so vertraute Gesicht von Chris, der ihn mit verweintem Ausdruck in den Augen anstarrte. Er sah das Blinken der Sirenen: Blau, rot, gelb und dann wurde es wieder schwarz.

 

Von Lukas Böhl

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