Ich sah sie.
Ich sah sie rauchen.
Ich sah sie, wie sie an der Ecke des Hauses lehnte, teilnahmslos ins Leere blickte und rauchte.
Das war alles.
Es reichte, um mich in sie zu verlieben.
Seitdem ich wusste, dass sie manchmal dort stand, sah ich viel öfter aus dem Fenster.
Mit der Zeit fand ich heraus, zu welchen Zeiten sie normalerweise eine Raucherpause machte.
Sie hielt sich meistens an ihren Rhythmus.
So boten sich genügend Gelegenheiten, um sie zu beobachten.
Immer sah sie auf dieselbe Stelle vor sich.
Ihre Augen blickten auf die Straße, aber ich erkannte, dass sie woanders hinschaute.
Ihre Seele sah etwas anderes.
Ich fragte mich oft, was sie so interessant machte.
Hätte sie nur so dagestanden und gewartet, hätte sie meine Aufmerksamkeit wohl nie erregt.
Möglicherweise waren es die Zigaretten, der starre Blick oder die Art, wie sie den Ellbogen der Raucherhand mit dem anderen Arm stützte.
Vielleicht war es auch ihr Desinteresse.
Nicht ein Mal hatte sie zu mir hochgesehen, während all der Momente, in denen ich sie beobachtet hatte.
Obwohl ich durch einen Vorhang verborgen wurde, hätte jeder andere Mensch irgendwann zufällig an der Hausfassade nach oben gesehen und möglicherweise einen Schatten hinter dem Vorhang erkannt.
Nicht sie.
Sie rauchte und schweifte ab.
Während meiner Zeit hier hatte ich oft den Gedanken gehabt, dass ich gerne dort gewesen wäre, wo sie hinstarrte.
Ein Ort, der jemanden so in den Bann zieht, muss es wert sein, ihn einmal gesehen zu haben.
Doch er blieb unerreichbar für mich.
So unerreichbar, wie er für sie war.
Und das war leider alles, was wir gemeinsam hatten.
Ich kannte weder ihren Namen noch den Grund, warum sie so viel rauchte.
Wenigstens wusste ich, dass es sie gab.
Sie hatte keinen Schimmer, dass ich existierte.
Doch zu wissen, dass es sie gab, machte die Tage hier angenehmer.
Es verschaffte mir Ablenkung, gab mir etwas, auf das ich mich freuen konnte.
Gab mir Hoffnung, dass es irgendwann wieder normal werden würde.
Das alles tat sie für mich, obwohl sie nichts weiter tat, als zu rauchen.
Da zu sein und zu rauchen.
Zum ersten Mal hatte ich sie im Frühling gesehen, ein paar Tage, nachdem ich hergekommen war.
Sie ließ den Frühling verstreichen und half mir, den Sommer zu überstehen.
Schließlich kündigte sich der Herbst an.
Ich sah es an ihrer Kleidung, sie trug jetzt einen langen Mantel zum Rauchen.
Und als sie einige Wochen später Handschuhe trug, wusste ich, dass die Zeit mit ihr bald vorüber war.
In den letzten Tagen stand ich fast jeden freien Moment an meinem Fenster und sah hinunter zu ihrer Hausecke.
Sie blieb bei mir bis zum Schluss.
Als ich entlassen wurde, beschloss ich, durch den Hinterausgang zu gehen.
Bis jetzt hatte ich es gemieden, mich ihr zu zeigen.
Doch zum Abschied wollte ich riskieren, ihr einmal direkt in die Augen zu blicken.
Ich hatte mit dem Verlassen des Gebäudes so lange gewartet, bis ich sicher war, dass sie draußen stehen würde.
Als es so weit war, ging ich los.
Die Glastüren schoben sich zur Seite.
Im nächsten Moment war ich draußen.
Mit großer Erleichterung stellte ich fest, dass sie da war.
Wie immer blickte sie in ein Nichts, das nur sie sah.
Ich lief in die Richtung des Nichts, das lange mein Alles war und füllte es für einen Augenblick mit meinem Körper aus.
Nur eine Sekunde.
Dann ging ich weiter und ließ sie hinter mir.
Ließ sie rauchen.