Dienstagabend nach der Arbeit. Es hat nur ein bisschen genieselt, als ich los bin. Ich wollte nicht länger auf den Frühling warten, da war mir das Wetter egal. Mit der Kapuze tief im Gesicht lief ich durch die tropfende Stadt. Überall entflohen Passanten dem Regen oder versteckten sich unter ihren Schirmen. Am Skatepark stressten sich die Jugendlichen. Am Sportplatz kifften die Jungs. Es war fast wie immer. Ein paar Sätze für den Oberkörper, dann noch Beine, das musste reichen. Auf dem Rückweg begann es schließlich zu schütten. Doch anstatt mich zu ärgern, sog ich den Regen mit all meinen Poren auf. Ganz gemächlich lief ich durch riesige Pfützen, während die Tropfen von oben immer schwerer auf mich herab prasselten und die anschwellenden Rinnsale drohten, mich davonzutragen. Das Wasser kroch in meine Schuhe und durch alle Schichten meiner Kleidung, bis ich es auf meiner Haut spürte. Also öffnete ich den Reißverschluss meiner Jacke und ließ es hinein. Jetzt war es, als würde es aus mir herausregnen. Es war lange her, dass ich mich so gefühlt hatte. Aus den Autos sahen mir verdutzte Menschen entgegen, die es nicht verstanden. Aus Rache spritzten sie mir eine Ladung Straßenrandwasser ins Gesicht. Nichts davon berührte mich. Denn es war ein anderes Rauschen, ein dumpferes Pochen, dem ich meine Aufmerksamkeit schenkte. Schon fast war ich wieder zu Hause, als plötzlich eine junge Frau aus dem kleinen Feinkostladen in meiner Straße trat. Weil sie gerade ihren Schirm aufklappte, übersah sie mich und wir stießen aneinander. Ihr Blick, als sie realisierte, was passiert war, drückte Empörung aus. Doch dann sah sie an mir runter und änderte ihren Ausdruck. Ganz erschrocken sagte sie: „Du bist so nass, ich kann dein Herz durch deine Kleidung sehen!“ Ich senkte den Kopf und sah es auch. Da erwiderte ich: „Das ist nicht schlimm. Ich dachte schon, ich hätte es verloren. Jetzt weiß ich, dass ich noch lebe.“