Endlos

Es klopft, es ist spät. Du erwartest keinen Besuch und wolltest auch keinen machen. Du hörst das Holz an der Schwelle knacksen und hast eine leise Ahnung, wer da wartet. Du glaubst, es sind nur zwei Drinks, die dich zur Tür treiben würden, also stellst du die Flasche weg. Dann klopft es wieder, beharrlich, aber nicht fordernd. Wer da steht, braucht keine Tricks anzuwenden. Du bist es, der am Ende nachgibt, sie weiß es, wartet geduldig ab und klopft und klopft, klopft…

Du schläfst ein und glaubst, der Wasserhahn sei kaputt, also schreckst du auf, doch da ist nur das endlose Klopfen. Immer noch ein wenig gleichgültig, doch es hallt jetzt nach. „Öffne!“, will es dir sagen. Noch glaubst du, stark zu sein, steckst den Deckel in die Bourbonflasche und starrst den Gang hinunter, an dessen Ende nur eine schmale Tür dich vom Klopfen trennt.

Das Klopfen war nicht immer so laut, einst war es wie Wasser, das irgendwo ungehört in den Ozean fällt. Doch es zog dich an, du hörtest genauer hin und dann war es ganz deutlich da. Näher und näher kam es, du brauchtest dich keinen Zentimeter zu bewegen, nur dasitzen und die Drinks genießen. Bis es nicht mehr genug war, neugierig gabst du dich dem Klopfen hin, bis es unmittelbar vor deiner Tür ertönte.

Ein paar verlegene Schritte auf dem Parkett, draußen auf dem Flur, und dann wieder das Klopfen. „Endlose Hure!“, wirfst du zwischen dich und die Tür. Doch sie saugt es auf, baut daraus eine Persönlichkeit. Jetzt, mit frischer Gestalt, fordert sie Einlass und sie weiß, allein ihre Existenz wird ihn ihr gewähren. Du hast jede Droge versucht, die irgendein zwielichtiger Straßendealer irgendwo auftreiben konnte. Die leeren Flaschen und vollen Aschenbecher und vergifteten Blutbahnen stimmen jetzt allesamt ein in das unendliche Klopfen.

Hure, endlose Hure. Das sind deine letzten Versuche, ihre Macht abzuwehren. Doch du wirst müde und schwach und sie stark. Die Tür schnappt auf, du hast nie abgeschlossen, sie steht vor dir, fordernd, den Preis kennst du längst. Und du gibst dich hin, gibst alles weg für den einen Moment. Mit deinem letzten Fünkchen Verstand schreist du: „Hure, endlose Welthure, sei verdammt!“ Und dann fickst du dich zu Tode.

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Von Lukas Böhl

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